Die frühneuzeitliche Literatur im Braunschweigischen Land
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Elftes Kapitel
DIE NUMISMATISCHE LITERATUR
1. Die frühneuzeitliche Literatur im Braunschweigischen Land
Als nach der Erfindung der Buchdruckerkunst bebilderte Bücher populär wurden, hatte dies erhebliche
Auswirkungen auf das Sammeln und Studieren von Münzen. Für ikonographische Studien antiker
Herrscher und mythologischer Gestalten boten Münzen und Medaillen reiches Anschauungsmaterial
und wurden abgebildet. In Büchern des 16. Jahrhunderts wurden neben Münzen mit realen Herrscher-
porträts auch fiktive Medaillen mit Gestalten wie Agamemnon, Odysseus oder Noah verbreitet.
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Der
Wunsch, die abgebildeten Münzen und Medaillen als Originale zu besitzen, regte dazu an, Münz-
sammlungen aufzubauen. Es entstand nicht nur ein Markt für Münzen, sondern auch für Bücher zur
antiken Numismatik. So wurden im 16. Jahrhundert erste Grundlagenwerke zur römischen Numismatik
verfasst, wie das des Augsburger Humanisten Adolph Occo mit dem Titel
Imperatorum Romanorum
numismata a Pompejo Magno ad Heraclium
von 1579.
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Durch die Verbindung zwischen Münze und
Buchdruck erklärt sich, warum gute Bibliotheken im 16. und 17. Jahrhundert nicht nur numismatische
Bücher, sondern fast selbstverständlich auch eine Münzsammlung besaßen (siehe oben S. 405). Waren es
am Anfang vorwiegend Themen zur antiken Numismatik, so entdeckte man gegen Ende des 17. Jahr-
hunderts und im Laufe des 18. Jahrhunderts auch die Münzen als Zeugnisse der ‚vaterländischen
Geschichte’, womit man im Zuge nationaler Bestrebungen die neuere Geschichte bezeichnete.
Zu den ersten deutschsprachigen Schriften, in denen die Münz- und Geldgeschichte eine Rolle
spielt, gehört das ‚Schichtbuch’ des Braunschweiger Stadtschreibers Hermen Bote (ca. 1450-ca. 1520),
das zwischen 1510 und 1514 entstand. Das Thema dieser Chronik der Stadt Braunschweig sind die
Sozialrevolten (‚Schichten’) in Braunschweig. Ein Kapitel
„Van der Pagemunte“
(= Von der Währung),
das der Autor hinzufügte, ist eines der ersten schriftlichen Zeugnisse zur Geldgeschichte in Nieder-
sachsen. Darin sollten die geldgeschichtlichen Probleme des 15. Jahrhunderts erläutert werden, die zu
Sozialkonf likten führten. Das Schichtbuch wurde allerdings erstmals im 19. Jahrhundert gedruckt,
zuvor aber mehrfach abgeschrieben. In der ersten Handschrift sind 14 Abbildungen von Münzen aus
Goslar, Braunschweig, Hannover, Lübeck, Gandersheim und Osterode in den Text eingefügt. Da
Braunschweig im 15. Jahrhundert die wichtigste Stadt des Sächsischen Städtebundes war, werden im
‚Schichtbuch’ auch die Münzen und die Münzpolitik anderer Städte angesprochen.
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Im 16. Jahrhundert entstand durch den „Pfarrherrn der Kirchen zu Grunow im Lande Braun-
schweig“ Heinrich Bünting ein besonders für die Theologen wichtiges Werk numismatischen Inhalts,
das sich mit den Münzen und Maßen in der Bibel beschäftigte:
Heinrich Bünting,
De monetis et mensuris sacrae scripturae. Das ist, Ein eigentliche Ausrechnung und Be-
schreibung aller Müntz und Masse in Heiliger Schrifft. Darin alle Silbern und Goldmüntz, auch alle
Korn und Weinmasse der Hebreer, Griechen und Lateiner so viel deren im Alten und Newen Testa-
ment gedacht, nach notturft erkleret und mit unser Müntz und Mass proportioniert und vergliechen
werden, ausgerechnet und aus vielen bewerten Büchern zusammengezogen Durch M. Hinricum
Bünting, Pfarrherrn der Kirchen zu Grunow im Lande Braunschweig, gedruckt zu Helmstadt, durch
Jacobum Lucium Anno M.D.LXXXII.
Verlegt durch Emeranus Kirchner in Magdeburg, wurde es erstmals 1582 in Helmstedt durch Jakob
Lucius gedruckt, den in Diensten des Herzogs Julius stehenden Universitätsdrucker. Mehrfach wurde
es in den kommenden Jahren nachgedruckt, 1583 und 1585 in Helmstedt, aber auch in Leipzig,
Magdeburg, Wittenberg, Utrecht, Arnhem, Prag, London, Amsterdam, 1650 schließlich durch den