Die letzten Münzen der Stadt Braunschweig
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Hans Becker hatte 1669 Probeabschläge für
das „Stadtgeld“ zu 6 und 12 Mariengroschen nach
Braunschweig geschickt. Die einst in Zellerfeld
hergestellten Abschläge dieser Stücke in Birken-
rinde sind ebenfalls erhalten geblieben.
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Im Jahre
1671 sind dann aber wirkliche Münzen zu 6 und
12 Mariengroschen, die 1/6 bzw. 1/3 Taler ent-
sprachen, geprägt worden.
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Auf dem Stempel,
der zur Prägung eines Sechsmariengroschens in Silber verwendet wurde, ist die Jahreszahl von 1669
zu 1671 umgeschnitten worden (Abb. 263)
20
. Mit den Silberstücken, die nach den alteingeführten
Mariengroschen benannt sind, wurde zum ersten Mal in Braunschweig städtisches Geld in einem
größeren Nominal geschaffen, das nicht nach dem Reichsmünzfuß ausgeprägt war.
Am 10. Juni 1671 kapitulierte die Stadt Braunschweig vor Herzog Rudolph August, der mit Waffen-
gewalt die Stadt unterworfen hatte. Dadurch endete zunächst die Braunschweiger Münzprägung. Von
dem im Mai 1671 während der Belagerung der Stadt beschlossenen Notgeld mit geringerem Silber-
gehalt und der Aufschrift
pro libertate
(= für die Freiheit) ist kein Stück erhalten geblieben; vielleicht
ist es auch nie hergestellt worden.
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Bei den Verhandlungen über die Unterwerfung Braun-
schweigs am 9. Juni 1671, die in Riddagshausen statt-
fanden, baten die Vertreter Braunschweigs den Herzog
um die Beibehaltung der Sonderrechte der Stadt, darunter
des Rechts der Münzprägung
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:
„Drittens hat Bürger-
meister und Raht auch unterthänigst suchen und bitten
lassen, daß die Münz-Gerechtigkeit, und eigenes Gepräge
schlagen zu lassen, ihnen forderst verstattet, auch sie deswegen nicht gefähret werden möchten, daß sie
neuliche Zeit ad interim einige Münze von geringem Gehalt schlagen lassen, mit dem Erbieten, daß sie
dieselbe wieder einwechseln, und das wahre pretium davor erstatten wollen.“
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In der Resolution, die Herzog Rudolph August am 10. Juni 1671 ausstellte, sagte er zu, der Stadt
Braunschweig das Münzrecht zu belassen.
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Wie die weiteren Ereignisse zeigen, war fortan aber die
ausdrückliche Genehmigung des Herzogs notwendig, wollte die Stadt Braunschweig erneut eine
Münzprägung auf legen.
Die Münzprägung in den Jahren 1675-1680
Am 9. Oktober 1674 bat der Rat der Stadt Braunschweig den regierenden Herzog Rudolph August um
die Erlaubnis, Silbergeräte einschmelzen zu dürfen. Man wolle daraus Silbermünzen im Wert von 2/3,
1/3 und 1/6 Talern prägen, um die Schulden der Stadt zu verringern.
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Nach grundsätzlicher Zu-
stimmung des Herzogs schloss die Stadt am 20. Februar 1675 einen Pachtvertrag mit den Brüdern
Lorenz und Johann Wagner aus Hamburg, die als ‚Münzdirektoren’ mit Gewinnbeteiligung die Prägung
von Münzen durchführen sollten. Die Verpachtung der Münze war zwar nach der niedersächsischen
Kreisordnung schon lange verboten (siehe oben S. 120), aber daran hielten sich weder die Stadt noch
Herzog Rudolph August.
Der Münzvertrag mit den Brüdern Wagner
Einer der Brüder, Lorenz Wagner, war schon zuvor als Münzmeister tätig gewesen, von 1667 bis 1674
in Lübeck, gleichzeitig in Wolmirstädt für den Herzog von Sachsen-Weißenfels und Administrator von
Magdeburg. 1688/89 war er in Lauenburg und Ratzeburg zusammen mit seinen Brüdern Johann und
Michael Wagner im Münzgeschäft aktiv, von 1690 bis 1695 in Stettin. Die Wagners gehörten zu den ge-
schäftstüchtigen Unternehmern der so genannten ‚zweiten Kipperzeit’, die minderwertige Münzen
Abb. 262:
Stadt Braunschweig, Probe-
abschläge des Vierteltalers
in Birkenrinde, 1670. –
Birkenrinde. 0,16 g.
30,5mm. – Städtisches
Museum Braunschweig,
Inv.-Nr. 11833.
Vorderseite:
MONE · NOVA · REIP ·
BRUNSUIC
*
; auf-
gerichteter Löwe nach
links. Oben Münzmeister-
zeichen.
Rückseite:
· LEOPOLD · I · D · G · RO ·
IM · S · AU · 16-70; ge-
krönter Doppeladler, auf
der Brust Reichsapfel mit
der Wertzahl 6.
Abb. 263:
Stadt Braunschweig, Sechs-
mariengroschen 1671. –
Silber. 5,42 g. 27mm. –
HAUM Inv.-Nr. 648/10.
Vorderseite:
*
BRUNSCHWIGISCH;
aufgerichteter Löwe nach
links.
Rückseite:
STADT
*
GELDT
*
1671,
im Feld
*
VI
*
/ MARIEN /
GROS / ·
*
·.