Die Braunschweiger Münzprägung in der ‚Franzosenzeit’
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Siebtes Kapitel
DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT
Hatte man im 16. Jahrhundert durch die Reichsmünzordnungen versucht, das deutsche Münzwesen
zu vereinheitlichen, so war dies aufgrund der zahlreichen Eigeninteressen der Münzstände gescheitert.
Durch die großen Münzkonventionen des 17. und 18. Jahrhunderts war die Zersplitterung des Münz-
wesens zwar eingeschränkt worden; doch bereiteten die vielen Geldsorten, die in den zahlreichen
Staaten Deutschlands kursierten, weiterhin große Probleme und verleiteten zum Missbrauch.
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Die
Vereinheitlichung des deutschen Münzwesens wurde erst im Laufe des 19. Jahrhunderts im Zuge der
politischen Einigung Deutschlands durch Preußen erreicht. Der zunehmende Welthandelsverkehr er-
forderte große einheitliche Währungsbezirke mit wenigen Nominalen, die leicht umzurechnen waren.
Die Goldwährung setzte sich im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den großen Staaten
Europas durch. Um nicht isoliert zu werden, musste man dem in Deutschland Rechnung tragen und
ebenfalls verstärkt auf Gold zurückgreifen. Die goldene Pistole übernahm vom Reichstaler die Funktion
einer Art Leitwährung. Auf Grund dieser Entwicklung und der Entstehung einer einheitlichen
deutschen Währung, die mit dem Deutschen Zollverein 1834 und dem Dresdner Münzvertrag von 1838
begann, muss die Münzprägung Braunschweigs im 19. Jahrhundert mehr als zuvor im Rahmen der
deutschen Münzgeschichte betrachtet werden. Währungsunionen, die während des 19. Jahrhunderts
im Deutschen Bund entstanden, waren auch für das braunschweigische Geldwesen von Bedeutung.
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Die Münzen selbst wurden im 19. Jahrhundert in ihrem Bildprogramm eintöniger, waren kaum
noch Ausdruck künstlerischer Gestaltungskraft. Durch die technische Entwicklung der Präge-
maschinen, etwa der Kniehebelpresse Diedrich Uhlhorns
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, und durch die verstärkte Anwendung des
Senkverfahrens konnten nun gleichförmige Münzen in größerer Zahl hergestellt werden. Matrizen,
Stempel, die das Münzbild vertieft zeigen, wurden kaum noch zum Prägen benutzt, da ihre Her-
stellung zu kostspielig war und sie beim häufigen Prägen allzu leicht Schaden erlitten. Sie dienten nur
noch zur Anfertigung der Patrizen, der Stempel mit erhabenem Bild. Beim Senkverfahren wurden mit
Hilfe einer Patrize zahlreiche gleiche Münzstempel hergestellt, indem man die Patrize mit Hilfe einer
Spindelpresse in weichen Stahl absenkte.
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Dadurch war man jederzeit in der Lage, die jeweils erforder-
liche Zahl von Münzstempeln als getreue Nachbildungen der Patrize anzufertigen. Jahreszahlen
konnten dann in Handarbeit auf den Münzstempeln nachgetragen oder verändert werden.
Immer häufiger wurden die wertvollen Gold- und Silbermünzen von Geldscheinen, Banknoten
oder Bankzetteln für den gehobenen Zahlungsverkehr ersetzt. Münzen fanden am Ende dieser Ent-
wicklung nur noch als Kleingeld Verwendung.
1. Die Braunschweiger Münzprägung in der ‚Franzosenzeit’ (1806-1813)
Herzog Carl Wilhelm Ferdinand, der am 25. Oktober 1806 vor den französischen Truppen Napoleons
aus Braunschweig geflohen war, starb am 10. November an der Verwundung, die er in der Schlacht bei
Auerstedt erlitten hatte. Nach der Schlacht bei Auerstedt am 14. Oktober 1806 hatte Napoleon die
Welfendynastie für abgesetzt erklärt. Am 28. und 30. Oktober 1806 wurde durch zwei Proklamationen
das Land Braunschweig vom napoleonischen Kaiserreich Frankreich in Besitz genommen und einer
provisorischen französischen Verwaltung unterstellt. Nach dem Frieden von Tilsit schuf Napoleon 1807
das Königreich Westphalen, zu dem außer Braunschweig-Wolfenbüttel auch Hessen-Kassel mit Rinteln