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eine Wassermühle, und der Weg zur
nächsten Windmühle erschien ihnen zu weit
und beschwerlich.
Bediente sich der Müller anfangs nur bei den
reichen Bauern, so machte er bald keinen
Unterschied mehr. „Was geht mich das
Gejammer dieser Hungerleider an“,
beruhigte er sein Gewissen, während er
Goldstücke in seiner Truhe versteckte.
Das Klappern des mächtigen Mühlrades aus
Eichenholz war weit in der Stadt zu hören.
Trug der Wind nicht auch ein anderes
Geräusch entlang der Oker? Leises
Wimmern?
„Was soll bloß aus uns werden? Das ganze
Jahr über Schinderei, und dann reicht es
kaum zum Leben“, klagte ein Bauer, der mit
frisch gemahlenem Mehl von der Mühle
kam. Locker hing die spärliche Fracht auf
dem Rücken seines mageren Esels. „Oh,
gütiger Himmel! Gibt es denn keine
Gerechtigkeit?“
Plötzlich zog das Wasser der Oker seltsame
Kreise, Strudel bildeten sich, aus deren Mitte
eine Gestalt auftauchte. Noch umspülte
Wasser ihren Körper, gab ihn nicht zu
erkennen. Endlich beruhigte sich die Oker
und enthüllte ihr Geheimnis: eine
wunderschöne Nixe mit langem Haar. „Was
bedrückt dich, guter Mann?“, fragte sie mit
zarter Stimme.