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Während er sich seine Wunden leckte,
wandte der Fremde ihm seine Aufmerksamkeit
zu. Stolze Augenpaare trafen sich.
Er, König der Tiere, stand einem anderen
Herrscher gegenüber: Herzog Heinrich von
Braunschweig. Obwohl er das damals noch
nicht wusste, brüllte er Ehre gebietend. Dann
setzte er mit letzter Kraft zum Sprung an,
landete vor seinem Retter und legte sich ihm
zu Füßen. Wie konnte er seinen Dank noch
ausdrücken? Indem er die Hände des
mutigen Kämpfers leckte!
Den milchigen Schleim abwischend, rief der
Herzog: „Erst verliere ich durch einen Sturm
mein Schiff samt Mannschaft. Dann
schnappt mich ein Riesenvogel und wirft
mich über diesem Urwald ab, in dem
grässliche Lindwürmer leben. Nun rückt mir
auch noch ein Löwe auf den Leib. Jetzt
reichts! Ich habe Hunger! Und ich will nach
Braunschweig.“
Heimweh? Dagegen kannte kein Löwe ein
Mittel. Für einen leeren Magen hingegen
wusste er Abhilfe zu schaffen. Sogleich
machte er sich auf, um seinem Herrn ein
Wild zu erbeuten.
Viele Jahre lebte er mit Herzog Heinrich in
der Wildnis. Nur zur Jagd wich er manchmal
von der Seite seines Herrn. Und
ausgerechnet dann ließ der Herzog sein
selbst gebasteltes Floß zu Wasser! Die Beute
im Maul, sah er bei der Rückkehr seinen
Herrn von weitem – nur ein Punkt auf den
Wellen des Ozeans. Ohne Zögern sprang er
in die Fluten, schwamm bis zur Erschöpfung