Seite 35 - Quadriga

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Die zweite Quadriga
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Obwohl Bildhauer Gustav Bläser erst ein
antikes Thema für Giebel und die Säulen vor-
geschlagen hatte, bevorzugte Herzog Wil-
helm Inhalte aus der mittelalterlichen Ge-
schichte des Welfenhauses, die er so verehrte.
Von dem antikisierenden Figurenprogramm
blieben nur die Reliefs mit den Waffentro-
phäen und der Medusa Rondanini
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in den
Seitenportalen des Portikus übrig
(Abb. 48)
.
Im Giebel wurden dagegen Reliefs der erst-
rangigen Ahnen des regierenden Herzogs-
hauses gezeigt, um den Bogen zur Gegen-
wart zu schlagen: Heinrich der Löwe erobert
und christianisiert im späten 12. Jahrhundert
die heidnischen Gebiete östlich der Elbe. Auf
den Säulen wird Heinrich von seinen bedeu-
tenden Nachfahren f lankiert: links sein zwei-
ter Sohn Otto IV., der einzige Kaiser aus dem
Welfenhaus, und rechts Otto das Kind, sein
Enkel
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und erster Herzog des 1235 neu ein-
gerichteten Herzogtums Braunschweig-Lü-
neburg, das bis 1918 bestand.
Die beiden Reiterstandbilder auf dem
Schlossplatz lassen den Betrachter abermals
erstaunen. Sie wurden 1874 als letzte Skulp-
turen aus dem ursprünglichen großen Fi-
gurenprogramm des Residenzschlosses
aufgestellt. C. T. Ottmer hatte an ihrer Stelle
antikische Rossebändiger vorgesehen
(Abb.
7; 15)
. Die Stiftung der Reiter geht im übri-
gen wie die Schenkung der Quadriga auf
die vaterländische Gesinnung bedeutender
Braunschweiger Bürger zurück. Wie die
Aufstellung der Quadriga auf dem Schloss,
ist die paarweise Anordnung der Reiter für
eine Residenz, deren Herzogtum nicht ge-
rade zu den an Flächen größten gehörte,
einzigartig. Die Reiter, 1855 auch als Alter-
native zu der Quadriga erwogen, aber erst
1864/69 begonnen
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, eröffnen den Blick
Abb. 53:
Die zweite Quadriga auf
der eingebrochenen
Plattform des kriegs­
zerstörten Braunschweiger
Residenzschlosses,
um 1948.