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„Ich glaube, es gibt da doch einen ander‘n.“
„Nein. Gibt es nicht.“
Oh wei. Mein kaputter Held. Und jetzt möchte er
zur Abwechslung den Ritter in schimmernder Rüs-
tung mimen, der die arme Mira aus der Armut und
dem harten Berufsleben rettet. Allmählich reicht‘s
mir wirklich. Lange genug habe ich versucht, ihm
schonend beizubringen, dass wir schon längst keine
gemeinsame Basis mehr haben. Falls wir die über-
haupt jemals hatten. Bleibt mir wirklich nur die har-
te Tour? So weit hat sie mich gebracht! Dass ich hier
in der Kälte und Dunkelheit stehe und ihr Haus be-
obachte! Natürlich nicht ihres, sondern das, in dem
diese WG haust. Kein Licht hinter ihrem Fenster.
Was nicht viel bedeuten muss — im Gegenteil: Wenn
sie einen ander‘n hat, dann wird sie ja wohl zu dem
gehen. Wer will schon in einer Wohngemeinschaft …
Auf jeden Fall ist da irgendwas im Busch, das spü-
re ich: Inzwischen will sie sich nicht mal mehr im
Café mit mir blicken lassen — angeblich, weil ich zu
laut werde, wenn mir was nicht passt! Einen Spazier-
gang im Park hat sie vorgeschlagen. Egal wie das
Wetter ist. Sie behauptet, dass sie unbedingt frische
Luft und Bewegung braucht, weil sie den ganzen
Tag drinnen verbringt. Und das soll ich ihr abkau-
fen?! Wo sie mir klipp und klar gesagt hat, ich soll
nicht so oft anrufen?! Also, wenn ich mich nicht
melde — würde sie es überhaupt jemals tun?!
Der Himmel ist grau, der Boden von feuchtem
Laub bedeckt wie meistens im November, aber im-
merhin ist es trocken von oben. Trotzdem hat Mira
ihre Kapuze über den Kopf gezogen.