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Elisabeth Kurkowski
Auf eine Kristeller!
Der Morgennebel hing ihr im goldbraunen Haar
und die Müdigkeit hielt sie immer noch abschieds-
scheu in den Armen. Sie presste das Spitzglas küh-
lend an die Wange und starrte selbstvergessen auf
den Getränkeuntersetzer auf dem Bartresen. Kristel-
ler – Kräuterbitter aus dem Harzer Hexenland. Sie
schloss die Augen und hing ihren Gedanken nach,
sie konnte es kaum fassen, dass nur 21 Stunden ver-
gangen sein sollten, seitdem sie Rio de Janeiro ver-
lassen hatte. Die Welt im Taschenformat, jederzeit
herunterzuladen, erreichbar, trügerisch nah, den-
noch nicht fassbar, geradezu ungreifbar. Distanzen
schrumpfen innerhalb einer Tageslänge, Ankom-
men ist zeitversetzt.
Die Ankunft vor einer Woche in der schillernden
brasilianischen Metropole, die ersten staubig-bunten,
lauten, hämmernden, rhythmischen Eindrücke, lie-
ßen sie abtauchen in die Illusion, sie wäre selbst im
Urlaub und nicht auf Dienstreise. Ihre Aufgabe, Ho-
tel-Zimmerkontingente auszuhandeln für die nächste
Fußballweltmeisterschaft in Brasilien, war der unge-
ahnte Beginn eines Kreises der sich schloss, eines
Kreises von dessen Existenz sie keine Ahnung hatte.
Eine kleine Gruppe von Reiseverkehrsfachleuten,
nicht mehr als vier an der Zahl, waren dem begehr-