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Detlef Seydel
Wilhelm, du alberst!
Ein mieser Niesel, Bertha. Der Alte wird mit seiner
„Grauen Stadt“ prahlen. Wie spät ist’s? / Dein Tage-
buch, Wilhelm, wird von 3 Uhr Nachmittags reden.
Es wird sagen: „Um 3 Uhr Nachmittags Karte beim
Landvogt Theodor Storm abgegeben.“ / Richtig, die
Karte, Bertha, die hätte ich vergessen ohne meine
Notizen. Wie heißt das hier? Ist ein verteufeltes Wa-
ckelpflaster. Und die Häuser scheinen in die Straße
zu stürzen. Erinnert mich an meine alte Spreegasse. /
Wasserreihe, Wilhelm, es ist die Wasserreihe. / Gut,
so schreibe ich also: „Geehrter Herr Landvogt, lie-
ber Kollege Storm. Auf demWeg nach Sylt gedachte
ich, Ihnen einen Überraschungsbesuch in der Was-
serreihe abzustatten.“ Treff ich ihn denn an, Bertha?
Was wird in meinem Tagebuch dazu stehen? / Nichts
Direktes, Wilhelm. Von Ebbe ist die Rede, von
einem Gang auf dem Deich zum Meer. / Zu dumm,
dann müssen wir es also ausprobieren. Ach, was
rede ich. Er ist nicht da, warum hätte ich sonst die
Karte abgeben sollen? Man wird uns an der Haustür
abfertigen mit der Ausrede „Der Herr Amtsrichter
ist leider verreist. Er befindet sich auf seiner Hoch-
zeitsreise.“ Hochzeitsreise, Bertha, dass ich nicht la-
che. In Kiel ist er, bei Groth. Also, bringen wir das