Seite 20 - Schloss_Wolfenbuettel

Basic HTML-Version

26
II
Wolfenbütteler Herzöge im 16., 17. und 18. Jahrhundert
Schlacht, die dem Herzog erneut eine herbe Nieder-
lage brachte: Mit seinem Sohn Karl Victor kam er in
Gefangenschaft auf die Festung Ziegenhain, wo die
evangelischen Fürsten ihn noch bis 1547 festhiel-
ten. Doch nun schaltete sich der Kaiser ein, und in
der Schlacht von Mühlberg an der Elbe wurde das
Heer des sächsischen Kurfürsten und des hessischen
Landgrafen durch die mächtige Armee Karls V. ver-
nichtend geschlagen. Herzog Heinrich „der Jüngere“
und sein Sohn erhielten daraufhin ihre Freiheit zu-
rück und begaben sich ins heimatliche Wolfenbüt-
tel. Mit eiserner Hand machte der Herzog nun die
Reformation rückgängig, und das Herzogtum wurde
wieder katholisch – nur die Stadt Braunschweig wi-
dersetzte sich ihrem Landesherren, und der Herzog
musste nach einer vergeblichen Belagerung der Stadt
dulden, dass die aufsässigen Braunschweiger weiter
beim protestantischen Glauben blieben.
Im Winter 1552/53 musste Herzog Heinrich „der
Jüngere“ eine weitere Demütigung hinnehmen, als
Konrad von Mansfeld, ein Unterführer von Markgraf
Albrecht (Alcibiades) von Brandenburg-Kulmbach,
mit seinen Söldnern Wolfenbüttel überfiel und den
Herzog in die Flucht schlug. Der Kulmbacher hat-
te seit Beginn der 50er Jahre eine undurchsichtige
Politik betrieben, deren oberstes Ziel seine persön-
liche Bereicherung war. Zu diesem Zweck hatte er
mehrfach unbekümmert zwischen katholischer und
protestantischer Seite gewechselt. Nach seiner zwei-
ten Flucht aus Wolfenbüttel verbündete sich Herzog
Heinrich mit Moritz von Sachsen gegen den Mark-
grafen. Dieser zog daraufhin mit seinen Söldnern in
Eilmärschen aus Franken nach Norddeutschland.
Schließlich standen in Sievershausen bei Peine Her-
zog Heinrich, seine beiden älteren Söhne und der
Kurfürst von Sachsen mit einem mächtigen Heer den
Soldaten des Markgrafen von Brandenburg-Kulm-
bach gegenüber. Die offene Feldschlacht, die mit
etwa 4.500 Toten als eine der schrecklichsten und
blutigsten der frühen Neuzeit in die Geschichte ein-
ging, brachte dem protestantischen Markgrafen eine
vollständige Niederlage. Den Sieg der katholischen
Partei musste Herzog Heinrich jedoch teuer bezah-
len: Seine Söhne Karl Victor und Philipp Magnus ka-
men in Sievershausen ums Leben.
Wider alle Erwartung wurde nun Julius, des Her-
zogs jüngster Sohn, zum Nachfolger. Dieser war
jedoch bereits zum evangelischen Glauben überge-
treten, was zu heftigen Auseinandersetzungen zwi-
schen Vater und Sohn führte. Um den protestanti-
schen Thronfolger zu verhindern, entschloss sich
der alternde Herzog mit 67 Jahren noch einmal zu
heiraten: Im Jahr 1556 ehelichte er Sophie (1522-
1575), Tochter Königs Sigismund von Polen, in der
Hoffnung, dass aus dieser katholischen Ehe noch ein
Sohn hervorgehen möge. Doch seine Bemühungen
blieben vergeblich, und Herzog Heinrich „der Jünge-
re“ söhnte sich nach Überwindung vieler Widerstän-
de mit seinem Sohn aus, bevor er 1568 im Alter von
79 Jahren starb.
In politischer Hinsicht war die Regierungszeit
Herzog Heinrich „des Jüngeren“ neben der großen
territorialen Erweiterung, die dem Fürstentum im
Zusammenhang mit der Hildesheimer Stiftsfehde
zugewachsen war, wegen der Festschreibung der
Primogenitur von nachhaltiger Bedeutung. Das Ge-
setz aus dem Jahr 1535, das nach einem Erbvergleich
zwischen Heinrich „dem Jüngeren“ und seinem Bru-
der Wilhelm entstanden war – und daher den Namen
„Pactum Henrico-Wilhelminium“ trug –, sicherte
dem erstgeborenen Prinzen die Alleinherrschaft und
damit die Unteilbarkeit des Fürstentums.
Bedeutungsvoll war auch die architektonische
Hinterlassenschaft des jüngeren Heinrich. Abgese-
hen von der Errichtung des Wohnpalastes, dem Tier-
gartenbau (H), sorgte der Fürst nach seiner Rückkehr
aus der hessischen Gefangenschaft für eine Rund-
umerneuerung der Wolfenbütteler Residenz. Nach
der Belagerung durch das Heer des Schmalkaldischen
Bundes, die große Zerstörungen an der Burg hin-
terließ, veranlasste der Herzog offenbar, große Tei-
le der alten, stark beschädigten Kernburg endgültig
niederreißen zu lassen. Auf diese Weise verschwan-
den der alte Palas und der mächtige Bergfried aus
der Schloss-Silhouette. Dagegen wurde die große
Schlosskapelle (F), die nach 1553 auf der Basis eines
älteren Wohnturmes entstand, zum neuen Blickfang
des Schlosses, der mit seinen Türmchen und der ge-
schwungenen „welschen Haube“ ein weithin (auch
von Braunschweig aus) sichtbares Wahrzeichen für
den vom alten Herzog hochgehaltenen katholischen
Glauben bildete. Herzog Julius ehrte seinen Vater,
indem er die vor den Toren der Burg angelegte Sied-
lung „Heinrichstadt“ nannte.