51
arbeiten
im Jahr 1547 erhielt. In diesem Fall mögen
Anregungen, die Herzog Heinrich während des Auf-
enthalts beim bayerischen Herzog (1542) in dessen
Landshuter Stadtresidenz, die mit bedeutenden Fres-
kenzyklen geschmückt ist, bei der Dekoration im In-
neren
des „Tiergartenbaus“ zum Tragen gekommen
sein. Zusammen mit dem Gemach, der Schlafkam-
mer, der geheimen Ratsstube und Registratur (seit
1584 „Regiment“ genannt)
24
waren diese Räume im
Obergeschoss des Anbaus, der sich im rechten Win-
kel an der Südseite des „Tiergartenbaus“ anschloss,
untergebracht. Die Wohnräume der Herzogin, ihrer
Kinder sowie der Kammerjungfrauen befanden sich
im ersten Stock und im Dachgeschoss des nördlich
gelegenen Hauptbaues des „Tiergartenbaus“. Die
Stockwerke wurden durch eine Wendeltreppe im Re-
gimentsanbau erschlossen.
Der „Tiergartenbau“ erinnert mit seiner zweige-
schossigen Anlage und seiner freien Plazierung in-
nerhalb des Burgkomplexes an den Johann-Georg-
Bau des Dessauer Schlosses (1530)
25
und an den
Wohnbau des Mansfelder Schlosses (1509-1532)
26
.
Die genaue Entstehungszeit des Gebäudes kann aus
den Quellen nicht erschlossen werden, doch der Hin-
weis aus dem Jahr 1532 auf einen Lustgarten westlich
des „Tiergartenbaus“
27
lässt den Schluss zu, dass die-
ser Wohnbau zwischen 1530 und 1535 entstanden
sein könnte. Bestätigung findet diese Vermutung in
der großen Ähnlichkeit des „Tiergartenbaus“ mit dem
ebenfalls auf Veranlassung Herzog Heinrichs im Jahr
1530 errichteten Hauptgebäudes der Burg Ganders-
heim und mit dem älteren Schlossbau der sogenann-
ten „Erichsburg“ bei Dassel (1527-1530) von Her-
zog Erich I. von Braunschweig-Calenberg, die ihren
Beinamen dem Nachfolger ihres Erbauers, Herzog
Erich II., verdankt.
28
Ein weiteres Indiz, das für diese
Datierung spricht, liefern die stilistisch verwandten,
etwa zeitgleich verwirklichten Schlossneubauten in
Gifhorn (1525-1581)
29
und Celle (1533-1558)
30
. Die
Anregung, einen Lustgarten mit einem Lusthaus an-
zulegen, mag der Herzog übrigens in Stuttgart bei
seinem Schwiegervater empfangen haben.
Gleichzeitig mit dem Neubau des „Tiergarten-
baus“ fand eine Umgestaltung des alten Saalbaues
der Burg statt. Das ursprünglich zweistöckige Haus
wurde um ein Geschoss erhöht, in welchem man den
„alten Tanzsaal“ einrichtete. Auch im Dachgeschoss
schuf man weiteren Nutzraum, wie die Vielzahl von
Dacherkern auf dem Cranachschen Holzschnitt von
1542 belegt. Ein Fachwerktreppenturm erhob sich
vermutlich an der Südflanke oder auf der Ostseite
des Saalbaus.
III.2
Das Renaissanceschloss
Die mittelalterliche Burganlage wurde 1542 während
der Belagerung durch die Streitmächte des Schmal-
kaldischen Bundes stark beschädigt und von den Be-
setzern im Jahr 1546 teilweise abgetragen.
1
Betroffen
waren neben der Kernburg mit dem Hauptbergfried
besonders die Befestigungsanlagen. 1547 bot sich
dem aus der Gefangenschaft zurückgekehrten Her-
zog Heinrich „dem Jüngeren“ ein Bild der Zerstörung.
Offenbar beschränkte man sich zunächst auf die In-
standsetzung der noch nutzbaren Wohngebäude und
auf die Sicherung der Befestigungen der Burganlage
und der Dammfestung. Erst nach der Schlacht von
Sievershausen im Jahr 1553 wurde mit der Erneue-
rung und dem Neubau verschiedener Teile der Burg
begonnen. Mit diesen Arbeiten, die sich bis zum
Tode des Herzogs im Jahr 1568 hinzogen, wurde der
Grund für die Verwandlung der Burg in ein Renais-
sanceschloss gelegt. Diese Bauaktivität, bei der man
sich imWesentlichen auf die noch heute den Schloss-
hof umbegebenden Flügel konzentrierte, wirkten sich
beispielgebend auf die ehrgeizigen Schlossneubau-
ten in Uslar (1559-1565) und Hannoversch-Münden
(1561-1580) des Braunschweig -
Lüneburg - Calen-
berg - Göttinger Herzogs Erich II. aus. In der folgen-
den Generation ließ man sich dann beim weiteren
Ausbau des Wolfenbütteler Schlosses wiederum von
der Hannoversch-Mündener Schlossanlage inspirie-
ren.
▼
Abb. 47
Schloss Wolfenbüttel
um 1569 mit Blick
von Osten
,
Rekonstruktions-
versuch von Elmar
Arnhold und Hans-
Henning Grote
Das Renaissanceschloss
III