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IV
Schloss Wolfenbüttel und die Dammfestung
Palladios
(„Villa Rotonda“ bei Vicenza) nahm, wurde
als erstes Wolfenbütteler Gebäude im Jahr 1784 mit
Blitzableitern versehen.
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Der Bau selbst genoss gro-
ße Berühmtheit, und man sah ihn während des 18.
Jahrhunderts als neuntes Weltwunder an. Die Wol-
fenbütteler Rotunde wurde auf diese Weise zum Vor-
bild einer Reihe von Bibliotheksneubauten, wie je-
nem der Wiener Hofbibliothek (1722-1726), dem der
Weimarer Landesbibliothek (1760-1765 im Grünen
Schloss) und jenem der Radcliffe Library in Oxford
(1737-1749).
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Im Untergeschoss der Bibliotheks-
rotunde war auf der Schlossplatzseite ein 50 Tieren
Platz bietender Pferdestall untergebracht. Man zähl-
te zwischen 1731 und 1735 insgesamt 158 Pferde
(von denen 29 sogar namentlich aufgeführt werden)
in den fürstlichen Ställen. Die Rückseite des Gebäu-
des bot Raum für eine Winterreitbahn, die später als
Baumagazin genutzt wurde.
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Übrigens haben sich
die amoniakhaltigen Ausdünstungen des Pferdestalls
als besonders günstig auf die Konservierung der kost-
baren und empfindlichen Bände erwiesen. Als man
die Rotunde im Jahr 1887 niederriss, fand sich der ei-
nem Marstallbau entstammende spätgotische Bogen
aus dem Jahr 1534, der seitlich des 1887 vollendeten
Bibliotheksneubaues wieder aufgestellt wurde.
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Seitlich der Rotunde verwahrte man in einem
Fachwerkgebäude die fürstlichen Kutschen und
Schlitten.
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Einem Inventar aus dem Jahr 1731 zufol-
ge stellte man hier allein 50 Kutschen ab, darunter
zwei Wagen, die Hermann Korb entworfen hatte.
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Sie waren außen vergoldet und bemalt, das Wagen-
innere hatte man mit rotem Samt ausgeschlagen, der
Goldstickereien aufwies. Auch Herzog Anton Ulrichs
Leibwagen, der gleichfalls mit einer roten Samtpols-
terung ausgestattet war, von der sich die Garnierung
mit weißen Schnüren effektvoll abhob, wurde hier
abgestellt.
Auf der Nordseite des Schlosses wird die niedrige
Umfassungsmauer des Grabens, die im 18. Jahrhun-
dert in Richtung Schlossplatz durch dekorative Vasen
rhythmisiert war, von einem breiten Einschnitt unter-
brochen. Noch heute ist an dieser Stelle der Zugang
zur ehemaligen Pferdeschwemme im Schlossgraben
zu erkennen. Ihr gegenüber befindet sich das soge-
nannte Lessinghaus. Das um 1736/37 für den Ober-
kammerdiener Johann Adolf Georg Schäffer errich-
tete Gebäude trägt diese Bezeichnung, da Gotthold
Ephraim Lessing hier zwischen 1777 und 1781 wohn-
te.
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Das Haus, das sich zuvor an dieser Stelle befand,
war übrigens ab 1723 von Landbaumeister Hermann
Korb bis zu dessen Tod im Jahr 1735 bewohnt wor-
den. Links des Lessinghauses befand sich das fürstli-
che Brauhaus, dessen Schlossbier ausschließlich bei
Hofe getrunken wurde.
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In diesem Gebäudekom-
plex brachte man ab 1669 auch das „Regiment“ unter,
die Verwaltung des fürstlichen Residenzamtes, die
ihren Sitz zuvor im Tiergartenbau (H) gehabt hatte.
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1744 wurde das Residenzamt schließlich ins Rathaus
verlegt. Im Jahr 1830 riss man das Brauhaus ab, doch
in dem an seiner Stelle erbauten Haus sind in dessen
Keller noch heute Mauerreste der herzoglichen Brau-
erei erhalten geblieben.
Die alte Dammühle schloss als letztes Gebäude
vor dem Schlossgraben die Gebäudereihe ab. Dieser
Ort stellt vermutlich den ältesten Bezirk des Schloss-
bereiches dar. Die früheste Nachricht über ein Müh-
lengebäude auf diesem Grund stellt eine Inschrift aus
dem Jahr 1462 dar. Es wurde von Herzog Heinrich
„dem Jüngeren“ 1565 durch einen Neubau ersetzt,
der bis ins späte 19. Jahrhundert erhalten blieb.
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An
der Mühle führte der Weg nach Westen über den
Schlossgraben zum sogenannten Mühlentor. Dieses
Gebäude, das man im Jahr 1605 errichtet hatte, wur-
de schließlich 1803 abgebrochen.
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Im Backhaus,
welches sich auf der linken Seite jenseits der Damm-
Mühlenbrücke befand, buk man das Brot für den
Hof, nachdem das alte Backhaus auf der Ostseite des
Schlosses aufgegeben worden war. Ab 1796 wurde
das funktionslos gewordene Haus als Vitriolfabrik
genutzt.
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Südlich des Backhauses befand sich zwischen
1688 und 1748 das auf Veranlassung von Herzog
Anton Ulrich errichtete fürstliche Opernhaus.
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Das
freistehende Gebäude erreichte man vom Schloss
aus entweder über den sogenannten Holzhof oder,
indem man den Weg über den Schlossplatz nahm
und das ganze Schloss einmal umkreiste. Nach dem
Abbruch des baufälligen Opernhauses im Jahr 1748
errichtete man um 1749/50 ein wenig weiter südlich
ein neues Theater, das noch bis 1797, als die Her-
zöge Wolfenbüttel schon seit vielen Jahren verlassen
hatten, als Komödienhaus diente.
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►
Abb. 87
Damm-Mühle von
Süden
,
Wolfenbüttel,
Fotografie, um 1885;
Museum im Schloss
Wolfenbüttel, Foto-
sammlung
►
Abb. 88
Schloss Wolfenbüttel
von Osten