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V.2
Das Herzogappartement
Um einen kleinen Festsaal, das Essgemach (jetzt „Ve-
nussaal“), sind spiegelbildlich zwei klassische Appar-
tements doubles gruppiert. Das Doppelappartement
auf der Westseite, welches man wegen seiner späte-
ren Nutzung Herzogappartement nennt, wurde von
Herzog Rudolf August und seiner Gemahlin Elisabeth
Rosine (Mente, auch: Madame Rudolfine) bewohnt.
Die Zimmerflucht östlich des Essgemachs, das heu-
tige Herzoginnenappartement, wurde von Herzog
Anton Ulrich – seit 1685 zum Mitregenten avanciert
– und seiner Frau Elisabeth Juliane genutzt.
Das Herzogappartement bestand aus einem fünf-
räumigen Appartement für Herzog Rudolf August,
dessen wichtigste Gemächer (Antichambre, Audi-
enzgemach, Schlafzimmer) in den Jahren zwischen
1690 und 1704 mit Wirkteppichen, Messingblakern
und Standleuchtern sowie englischen Tabourets,
Lehnstühlen und Fauteuils ausgestattet waren. Bei
offiziellen Besuchen im Audienzzimmer nahm der
Herzog auf einem Thronsessel Platz, über dem ein
Baldachin aus rotem Samt schwebte. Über die Möb-
lierung von Retirade und Garderobe ist nichts über-
liefert. Des Herzogs Gemahlin standen vier Räume
zur Verfügung: Antichambre, Schlafzimmer, Gardero-
be und Retirade. Das Fehlen eines Audienzzimmers
für Elisabeth Rosine dürfte auf deren bürgerliche (und
damit unstandesgemäße) Herkunft zurückzuführen
sein – sie trug nie den Titel einer Herzogin, weshalb
auch niemand offiziell bei ihr vorsprach. Für die von
Johann Balthasar Lauterbach (1663-1694) entworfe-
nen Appartements (1690) waren ursprünglich keine
Alkoven in den Schlafzimmern vorgesehen.
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Nach
dem frühen Tod des Landbaumeisters wurden jedoch
von dessen Nachfolger Hermann Korb in den Jahren
1694/95 nachträglich Bettnischen eingebaut.
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Die
Zimmerfolge wurde nur etwa fünf Jahre vom älteren
Herzog und seiner Frau bewohnt. Als um 1694/95
Elisabeth Rosine nach Schloss Hedwigsburg zog,
kam es in der Wolfenbütteler Residenz zu einer Art
Ringtausch der Appartements: Herzog Rudolf Au-
gust nutzte nun offiziell die freigewordenen Räu-
me Madame Rudolfines, und Herzog Anton Ulrich
übernahm die Gemächer von Rudolf August. Im Au-
dienzgemach stellte man um 1698 eine Sitzgarnitur
aus geschnitztem und versilberten Holz auf, deren
Kreuzstichbezüge Herzogin Elisabeth Juliane ange-
fertigt hatte.
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Elisabeth Rosines früheres Appartement
blieb indessen meist unbewohnt, denn der Herzog
zog sich seit dem Beginn der Zwistigkeiten, die sich
anlässlich der neuerwobenen Kurwürde der Hanno-
verschen Welfen zwischen diesen und Herzog Anton
Ulrich entsponnen hatten, zunehmend aus Wolfen-
büttel zurück – stattdessen verbrachte er die meiste
Zeit bei seiner Frau auf Schloss Hedwigsburg. Bei
seinen ohnehin seltener werdenden Visiten in Wol-
fenbüttel zog Rudolf August es sogar vor, im beschei-
denen Forsthaus am Neuen Weg zu übernachten –
einer der zahlreichen Hinweise auf die zunehmende
Entfremdung der herzoglichen Brüder.
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Als Herzog Rudolf August im Jahr 1704 starb,
ließ sein Bruder Anton Ulrich beide Herzogsapparte-
ments verbinden. Die vier Räume, die der Verstorbe-
ne bewohnt hatte, wurden nach französischer Mode
zum Privatappartement (Appartement de commodité)
– die größere fünfräumige Zimmerflucht erfuhr dage-
gen eine Umgestaltung zum Zeremonialappartement
(Appartement de parade). Vorbild für die Zusammen-
legung und Umgestaltung waren die Appartements
im Berliner Stadtschloss des Kurfürsten von Branden-
burg und Königs in Preußen.
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Aus der ersten Bauzeit um 1690 ist der größte Teil
der wandfesten Originalausstattung noch erhalten.
Paneele, Türgewände und Dielenböden sind schlicht
gehalten. Die ursprünglichen Türblätter, von denen
sich heute zwei in durchs „Gymnasium im Schloss“
genutzten Räumen befinden,
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wiesen einfache
Wulstkassetten auf. Nur die Stuckdecken und das
Gemälde des Audienzzimmers zeigen ein reiches
Dekor. Die Stukkaturen des Plafonds stammen von
Giacomo Perinetti und gehen teilweise auf Vorlagen
des Braunschweiger Bühnenbildners Johann Oswald
Harms (1643-1708) zurück. Das schmückende itali-
enische Laubwerk (Akanthus und Lorbeerblätter) ver-
weist dagegen auf Vorlagenstiche von Jean le Pautre
(1618-1682). Für den Entwurf des Deckenfreskos im
Audienzzimmer mögen die kurfürstlichen Räume des
Berliner Stadtschlosses Pate gestanden haben.
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Als
kreative Kraft hinter den thematischen Vorgaben der
Darstellungen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der
hochgebildete und weitgereiste Herzog Anton Ulrich
zu vermuten.
Die partielle Neuausstattung des Zeremonialap-
partements (Appartement de parade), die Herzog An-
ton Ulrich ab 1704 vornehmen ließ, weist auf eine
deutliche Veränderung der Dekorationsformen hin.
Bandelwerk nach dem Vorbild Sebastien Leclercs
▲
Abb. 104
Deckenstuck im
Audienzzimmer
(Ausschnitt),
Herzogappartement,
Stukkatur von Giacco-
mo Perinetti, Schloss
Wolfenbüttel
Das Herzogappartement
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