Seite 55 - Schloss_Wolfenbuettel

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und
ab 1636 behauptete sie sich als eigenes Ressort
neben den übrigen herzoglichen Behörden. Unter
der Leitung des Kammerdirektors (auch: Kammer-
präsident), dem zwei Kammerräte, ein Sekretär, ein
Kämmerer, ein Registrator, zwei Kammerschreiber,
ein Kammerknecht und ein Kammerkonsulent zur
Seite standen, oblag es der Kammer, die Einnahmen
aus den Erträgen der Ämter zu kontrollieren und die
landesherrlichen Regalien zu verwalten. Dazu kam
die Administration der Bergwerke, der Forstwirtschaft
und des Jagdwesens. Außerdem hatte sie auch alle
übrigen ökonomischen Belange des Fürstentums zu
lenken und zu beaufsichtigen: Das Münzwesen, die
Post, den Zoll sowie das Bauwesen und die Instand-
haltung der Wege und Straßen.
Die Klosterratstube war für die Verwaltung und
Bewirtschaftung der Landesklöster zuständig. Diese
Behörde war von Herzog Rudolf August eingerich-
tet worden, nachdem sein Vater, Herzog August der
Jüngere, in seiner Klosterordnung von 1655 die Ver-
hältnisse der im Zuge der Reformation säkularisier-
ten Klöster geordnet hatte. Zwei Geheime Räte, von
denen nur einer der Geheimen Ratsstube angehör-
te, und ein Klostersekretär führten die Geschäfte der
Klosterratsstube.
Das Konsistorium, die vierte und letzte Behörde,
die dem Geheimen Rat unterstand, war mit der Ver-
waltung der Landeskirche, deren oberster Bischof der
Herzog selbst war, befasst. Das Konsistorium, das seit
der Reformation weitgehend selbstständig operiert
hatte, wurde in der Regierung von Herzog August
dem Jüngeren unter die Aufsicht des Geheimen Rates
gestellt. Seit der Reformation war das Konsistorium für
das Schulwesen im Land zuständig. Zwischen 1651
und 1756 wurde die Aufsicht der höheren Schulen
einem Generalschulinspektor übertragen. Unter der
Führung des Direktors, dem Geheimen Rat, versahen
zwei geistliche und zwei weltliche Konsistorialräte
sowie ein Sekretär ihren Dienst im Konsistorium.
Außerhalb der vier Distrikte lag das Amt Thedinghau-
sen, in dem man 1793 3.431 Einwohner zählte. Eine
Zählung der Untertanen aus dem Jahr 1760 für das
ganze Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel hatte
eine Anzahl von 158.980 Menschen ergeben. Die
Aufsicht über die Ämter oblag den Oberamtmännern
(auch Amtsrat oder Oberinspektor genannt), die von
den Wolfenbüttler Behörden (z.B. Justizkanzlei oder
Geheimer Rat) direkte Weisungen erhielten.
Der Herzog, souveräner Landesherr des Fürs-
tentums Braunschweig-Wolfenbüttel präsidierte
dem Geheimen Rat.
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Aus dieser Zentralbehörde des
Fürstentums, die seit Ende des 17. Jahrhunderts das
eigentliche Machtzentrum im Land darstellte, lenk-
te der Kanzler mit den Geheimen Räten unter dem
Vorsitz des Herzogs die Regierungsgeschäfte. Im
Laufe des 18. Jahrhunderts sprach man auch von
dem Ministerium und den Ministern, die sich neben
ökonomischen und außenpolitischen Fragen u.a.
auch mit dem Erlassen von Gesetzen, Bestallungen,
Gnadenverleihungen, Reichs-, Kreis- und Grenzsa-
chen sowie dem Polizeiwesen zu befassen hatten.
Seit 1707 regelte eine Verordnung die Struktur der
Behörden und die Anzahl der darin beschäftigten Be-
amten: Zur Geheimen Ratstube zählten neben dem
Direktor, gleichzeitig Kanzler, auch die drei oder vier
Geheimen Räte, ein Geheimer Sekretär und ein Ge-
heimer Kanzlist. Die Geheimen Räte fungierten als
Direktoren der direkt unterstellten Behörden Kanzlei,
Kammer, Klosterratsstube und Konsistorium.
Den Titel „Geheimer Rat“ führten indes nicht nur
Mitglieder der Geheimen Ratsstube – diplomatische
Gesandte trugen ebenfalls diesen Titel. Eine Sonder-
rolle spielten die sogenannten „Geheimen Räte von
Haus aus“. Sie versorgten die herzogliche Regierung
mit Berichten und Einschätzungen der politischen
Lage an anderen Höfen. Einer dieser „Geheimen Räte
von Haus aus“ war Johann Friedrich von Alvensle-
ben (1657-1728), der seit 1686 am Wolfenbütteler
Hof bestallt war (und gleichzeitig das Amt eines Ge-
heimen Rates am Brandenburgischen Hof in Berlin
inne hatte). Ab 1691 lieferte er Informationen und
vertrauliche Interna aus Berlin nach Wolfenbüttel.
Darüber hinaus versicherte sich der Kanzler stets
eines akkreditierten Geheimen Rats beim ständigen
Reichstag in Regensburg.
Die Kanzlei gliederte sich in Justizkanzlei, dem
obersten Gericht für alle gewöhnlichen Streitfälle,
und Hofgericht. Dieses fungierte als erste Instanz
für den Adel, wurde aber auch als Berufungsgericht
aller Landeseinwohner genutzt. Unter Leitung des
Kanzleidirektors waren in der Kanzlei u.a. vier Hof-
räte, vier Sekretäre, ein Botenmeister, ein Pedell, vier
Kanzlisten, ein Kanzleidiener und drei Kanzleiboten
tätig.
Die sogenannte Kammer hatte sich seit etwa
1530 zur Zentralkasse des Fürstentums entwickelt,
Staats- und Regierungsaufbau des Fürstentums
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Abb. 151
Wolfenbütteler
Kanzleigebäude vor
dem Umbau 1851-
1853
, J. Th. Friedrich
Helmcke, Öl auf
Blech, 1846;
Niedersächsisches
Landesarchiv, Staatsar-
chiv Wolfenbüttel, 51
Slg 51
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Abb. 148
„Golgata“.
Altarbild
aus der ehemaligen
Schlosskapelle mit der
Familie der Herzöge
Rudolf August und
Anton Ulrich umge-
ben vom Hofstaat,
Tobias Querfurt, Öl
auf Leinwand, um
1697; Braunschweigi-
sches Landesmuseum,
Braunschweig