Seite 8 - Strategiespiel

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kaum zu, es schnell und ›ohne Rücksicht auf Verluste‹ zu spielen. Wer seine Arme-
en frontal auf die des Gegners prallen lässt, tauscht mit diesem Zug für Zug Figuren
– am Ende sind beide Armeen eliminiert und das Ziel, die generische Festung zu
erobern oder dauerhaft zu belagern, ist dem Angreifer genauso fern wie zu Beginn
des Spiels.
Die gesamte Philosophie des Spiels nötigt seine Spieler, den Gegner strategisch
und taktisch auszulavieren, weniger auf Figurennahme hin zu arbeiten als auf ge-
schickte Raumnahme, auf überlegene Bedrohungssituationen hin zu planen, die
den Gegner zum Zurückweichen zwingen. Kurz gesagt, wer im Hellwigschen Spiel
besser mittel- und langfristig vorausplant und vorausschaut, der wird auch gewin-
nen. Das Hellwigsche Spiel ist ein Kriegsschachspiel, das den strategischeren Den-
ker gewinnen lässt und seine Spieler zu Strategen macht.
Damit treffen im Braunschweiger Kriegsspiel zwei Funktionen aufeinander, die
zwar auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun zu haben scheinen, die aber
dennoch über die Jahrhunderte oft zueinander gefunden haben: das spielerische
Handeln und das strategische Denken. Zwar ist uns der Genrebegriff des Strategie­
spiels geläufig, nur selten aber denken wir darüber nach, wie sich eigentlich die
Momente des Spiels und der strategischen Planung miteinander verbinden. Vom
Schach
bis zu heutigen Spieltiteln wie
StarCraft, Civilization
oder
Stratego
ist es
ein langer Weg, dessen Untersuchung nicht nur Aufschluss über die Spiele selbst
gibt, sondern auch die Rolle des Strategischen in der Gesellschaft beleuchtet. Denn
›Unternehmensstrategien‹, ›Wahlkampfstrategien‹ oder ›Persönliche Lebenspla-
nung‹ zeigen, wie allgegenwärtig und selbstverständlich der Begriff der Strategie
in unserer Gesellschaft heute vorkommt: Strategie bezeichnet ein systematisches
Vorgehen, ein langfristiges Planen im Gegensatz zur kurzfristigen Taktik.
Deshalb wollen wir Strategiespiele nicht nur als Spiele begreifen, sondern auch
als ›Einübungsform‹ einer Art des Denkens. ›Eine Strategie zu entwickeln‹ steht
heutzutage synonym für eine Art des rationalen und geplanten Denkens und scheint
damit zunächst wenig zu tun zu haben mit dem ›Spiel‹, einer Form des Vergnü-
gens, einer Freizeitaktivität oder Muße-Handlung. Da es aber unsere These ist, dass
im Spiel das Leben ›geübt‹ wird, erscheint es uns mehr als sinnvoll, gerade jene
Strategie­spiele näher zu untersuchen, die das Leben als ›Probehandeln‹ entwerfen,
also vielleicht didaktische Formen der spielerischen Einübung eines ernsten Den-
kens darstellen.