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Eine exemplarische Form einer solchen Einübung ist das
1780
von Johann Christian
Ludwig Hellwig entworfene Kriegsspiel, welches er unter dem Titel »Versuch eines
aufs Schachspiel gebaueten taktischen Spiels von zwey und mehreren Personen
zu spielen« als Buch veröffentlicht. Es kann als Beispiel für die diversen Vorläufer
einer strategischen Spieltradition verstanden werden, die sich heute in computer
basierten Wirtschafts- und Aufbausimulationen wie
SimCity
und
Command&Con-
quer
oder in Brettspielen wie
Risiko
und
Monopoly
wieder findet.
Dieses Buch handelt daher von dem in Braunschweig entwickelten Kriegsspiel.
Gleichzeitig will es dieses Spiel aber auch als herausgehobenes Beispiel für die
Verbindung von Spiel und Strategie begreifen. Der
227
Jahre nach seiner ›Erfin-
dung‹ ebenfalls in Braunschweig durchgeführte Nachbau des Spiels ist daher nicht
nur von rein historischem Interesse. Es ist uns auch wichtig, das ›Gefühl‹, ein sol-
ches Spiel zu spielen, selbst erfahren zu haben, und im eigenen Spielen erlebt zu
haben, wie ein didaktisches Prinzip über zwei Jahrhunderte hinweg immer noch
seine Wirkung entfaltet. Während wir in stundenlangen Spiel-Sitzungen versucht
haben, der Logik des Spiels zu folgen, haben wir
aber eben nicht nur etwas über das Denken auf den
Feldherrenhügeln des
18
. Jahrhunderts gelernt, son-
dern vielleicht auch – viel abstrakter – ein Wissen
angeeignet, das ebenso im
21
. Jahrhundert anwend-
bar ist.
Spiele sind eben nicht nur Spiele, sondern auch
Werkzeuge, die zur Ausbildung in Bereichen wie
Management, Militär, Planung, Steuerung oder
Sportschulung eingesetzt werden. Neben den As-
pekten des Spielerischen wird also vor allem eine
grundlegende Denkweise trainiert, nämlich dass
komplexe ökonomische, militärische und politische
Prozesse eine effiziente und rationale Steuerung
brauchen. Dass uns die Vorstellung des ständigen
Trainings aller möglichen Vorgänge auf trügerische
Weise selbstverständlich vorkommt, ist wiederum
selbst das Ergebnis einer langen Geschichte der
Affektkontrolle und Selbstdisziplinierung. Spiele
Abbildung 2:
Das von dem oscarnominierten
französischen Regisseur Albert Lamorisse in
den
50
er Jahren entwickelte Brettspiel Risiko is
sicher eines der bekanntesten Kriegsbrettspiele