Seite 56 - Topographie_der_Erinnerung

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STADT WOLFSBURG
Entgegen den vollmundigen Versprechungen Hitlers
sahen sich die Bewohner mit einer ernüchternden Realität
konfrontiert. Der aufrüstungsbedingte Material- und Ar-
beitskräftemangel behinderte die Bauarbeiten, wobei der
Fertigstellung der Werksanlage Vorrang vor dem Woh-
nungsbau eingeräumt wurde. Für die Unterbringung der
Bauarbeiter, aber auch der wachsenden Volkswagen-Beleg-
schaft entstand ein Barackenkomplex, der das Gros der Zu-
gezogenen aufnahm. Im Sommer 1938, als der Stillstand der
Bauarbeiten nur durch die Rekrutierung von italienischen
Arbeitern verhindert werden konnte, zeichnete sich ab, dass
die neue Stadt mehr durch Improvisation und Notbehelf
denn durch Mustergültigkeit gekennzeichnet sein würde.
Das Stadtprovisorium wie auch das Automobilwerk
entwickelten sich im Zweiten Weltkrieg zu Seismografen
der deutschen Kriegsgesellschaft. Die Einbindung in die
Rüstungswirtschaft zog auf betrieblicher Ebene von Som-
mer 1940 an die Rekrutierung von ausländischen Zwangs-
arbeitern nach sich, deren alltägliche Ausgrenzung und
diskriminierende Behandlung sowohl in der Fabrik als
auch in der Kommune zur Etablierung von ethnisch hierar-
chisierten Strukturen führte. Die auf Homogenitätsvorstel-
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Blick auf Barackenlager und Werkswohnungsbau (Foto: Volkswagen AG)