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Die Landeskirche reagierte auf die Trennung vom Staat, indem sie
sich 1922 eine neue synodale Verfassung mit einem
gewählten Landes-
bischof
an der Spitze gab. Erster braunschweigischer Landesbischof
war ab 1923 Alexander Bernewitz.
Mit dem Bau des sozial fortschrittlichen Arbeiter-Wohnquartiers
„Bebelhof“ in Braunschweig wurde begonnen. Dennoch gab es die
beharrenden Kräfte, die sich mit der Demokratie nicht arrangieren
mochten und den egalisierenden Zeitgeist aufhalten wollten. Das
gesellschaftliche Klima
in Braunschweig war weiterhin
aufgeladen
,
Kompromisse zwischen dem eher konservativ-monarchisch gesinnten
Bürgertum und der starken Arbeiterbewegung kaum möglich. Die labi-
le Situation verschärfte sich mit der 1929 einsetzenden Weltwirtschafts-
krise, die wegen der Anfälligkeit der braunschweigischen Wirtschaft
rasch zu einer über dem Reichsdurchschnitt liegenden Arbeitslosen-
zahl führte. Die Zahlen stiegen in der Stadt Braunschweig von 3.000 im
Herbst 1929 auf 15.000 im Herbst 1930 und 20.000 Anfang 1933. Spä-
testens
Ende der 1920er Jahre
begannen deshalb weite Teile des Bürger-
tums, ihre
Bindungen an bürgerliche Parteien zu lösen
und sich trotz
zunehmenden Nazi-Terrors für nationalsozialistisches Gedankengut zu
öffnen.
Nationalsozialismus
Braunschweig wurde am
1. Oktober 1930
unter Ministerpräsident
Werner Küchenthal (DNVP) das zweite Land nach Thüringen mit
einem
nationalsozialistischen Minister in der Regierung
. Im September
1931 wurde
Dietrich Klagges
zum Minister für Inneres und Volksbil-
dung berufen. Auf ihn ist es vor allem zurückzuführen, wenn in den
Jahren bis 1933 die Grenzen des Rechtsstaates besonders exzessiv zur
Durchsetzung nationalsozialistischer Interessen ausgelegt und damit
ausgehöhlt wurden. Klagges schreckte auch vor massiver Gewaltanwen-
dung nicht zurück. Die
bürgerlichen Parteien verloren
ihre
gesellschaft-
liche Rückendeckung
. Selbst in der internationalen Presse, wie zum
Beispiel im Londoner Guardian, wurden die besonders
gewalttätigen
politischen Auseinandersetzungen
im Land Braunschweig thematisiert.
Sie richteten sich vor allem
gegen Gewerkschaften und Arbeiterpar-
teien
.
Bürgerliche Institutionen wie die Technische Hochschule waren
vor Übergriffen nicht geschützt. Dies zeigt der zwischen 1931 und 1933
an der damaligen Technischen Hochschule Braunschweig ausgebroche-