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ich dank der Broschüre gut beantwortet habe und die Prüfung war bestanden. Und dann, das
war so, als ob jemand mir das zugeflüstert hätte, sagte ich noch: „Hier ist noch mein Bruder...
mit dem ich zusammen gearbeitet habe.“ Und so wurde auch mein Bruder Martin ausge-
wählt.“
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Zeitzeuge Mordechai Folman erinnert sich zum Auswahlverfahren:
Der Blockälteste verkündete, daß Metallarbeiter angeworben werden. Ich habe nie als Metall-
arbeiter gearbeitet, meine ganze Ausbildung war Abitur. Der Blockälteste sagte mir aber, ich
solle mich als Metallarbeiter, oder, besser noch, als Feinmechaniker ausgeben. Alle, die sich
gemeldet haben, mußten sich in einer Reihe aufstellen, jeder wurde dann einzeln gefragt, wer
er von Beruf sei und was er gemacht habe. Ich sagte, ich sei Feinmechaniker und wurde ange-
nommen
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Zeitzeuge Zwi Bergman über die Umstände seiner Auswahl:
Durch das ´interne Telefon` wurden Schlosser gesucht. Ein Zivilist hat mich gefragt, ob ich
mich in der Schlosserei auskenne, dann aber keine Fachfragen gestellt. Gutes „Aussehen“ war
entscheidend
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Zeitzeuge Roman Bojmelgrin in seinem Brief an den Verfasser über die Selektion:
Ich kann mich nicht daran erinnern, wer die Firma Büssing bei der Selektion ins Lager Braun-
schweig vertreten hat. Ich erinnere mich aber, daß an einer von diesen Selektionen Kinder und
Jugendliche aus dem Block 23 teilgenommen haben. Ich war unter ihnen. Man hat uns Num-
mern auf den linken Unterarm tätowiert und die Auswahl hat begonnen. An dem Tisch wurde
eine Querlatte aufgestellt, mit der man die Körpergröße der Häftlinge gemessen hat. Diejenigen,
die zu klein waren, wurden aus dem Transport ausgeschlossen, ich war unter ihnen. Wir wur-
den in unseren Block zurückgeschickt und unsere Tätowierung wurde durch eine neue Täto-
wierung ersetzt, das waren solche Punkte, die bis heute auf meinem Unterarm sichtbar sind. Es
ist mir gelungen aus dem Transport ins Krematorium zu fliehen. Der Blockälteste aus dem
Block 12, Otto, hat mich und noch zwei andere versteckt und zwei Wochen lang beschützt, in
dem er uns nicht zu den Appellen geschickt hat. Die nächste Selektion nach Braunschweig fand
schon ohne diese Querlatte statt und ich fand mich im Transport nach Deutschland
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Zeitzeuge David Brin über die Braunschweig-Auswahl:
Ich habe gehört, wie Kapos darüber geredet haben, daß diejenigen, die nach Braunschweig
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Erinnerungen von Boleslaw Olomucki, die er dem Autor am 24.5.1999 in Ashkelon übergeben hat.
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Mordechai Folman – im Gespräch mit dem Autor am 28.5.1999 in Haifa.
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Zwi Bergman – im Gespräch mit dem Autor am 25.5.1999 in einem Kibbuz bei Jerusalem.
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Roman Bojmelgrin – in seinem Brief vom 13.9.1999 an den Autor (R.B. wohnt in Kanada). Über die „Selek-
tion unter der Querlatte“ schreibt Sara Zyskind in: „Swiatlo w dolinie lez“ („Licht im Tränental“). Lodz 1994,
S. 166-169. Dieses Buch ist eine Biographie ihres Mannes; Eliezer Zyskind, der Häftling in der Schillstraße
war. Im Gespräch mit dem Autor, geführt in Jerusalem am 3.6.1999, hat Eliezer Zyskind den von Sara Z.
beschriebenen Verlauf der Selektion bestätigt.