Seite 13 - Der_unendliche_Faden

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die Stiftsvogtei an Gerhard von Alvensleben. Beide Familien
dürften sie als herzogliche Ministeriale inne gehabt haben.
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Sie sind welfische Ministeriale und das Stift damit endgül-
tig in welfischem Einfluss.
Das deckt sich durchaus mit späteren Berichten Heinrich
Meiboms sowie von Hermann von der Hardt (1660–1746),
dem evangelischen Propst, die auf großzügige Seelenheil-
stiftungen für das Stift durch Herzog Heinrich und auch
zuvor schon Herzogin Mathilde hinwiesen. Das antiwel-
fische Gründungskonzept war überwunden, das Stift stand
bei den Herzögen in hohem Ansehen. König Otto IV. soll
1198/1199 Marienberg besucht haben und dabei für den
Marienaltar – vermutlich den Hochaltar – gestiftet haben,
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1243/44 schenkte Herzog Otto das Kind dem Kloster so-
gar einen mit zwei stattlichen Rubinen gezierten Kelch.
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Der Konvent
Der Name St. Marienberg, den das Stift von seiner Gründung
an bis heute trägt, spiegelt den Ort und das Patrozinium
wider. Kennzeichnend für ein reguliertes Augustiner-Chor-
frauenstift, das aus den Reformbemühungen im 12. Jahr-
hundert hervorging, war eine strenge Form des monastischen
Gemeinschaftslebens – der „vita communis“ –, die sich an
der straffen Lebensdisziplin in den Nonnenklöstern aus-
richtete, so dass der Unterschied zwischen Kloster und
Stift für diese Zeit oft nicht mehr fassbar ist. Die Stiftsan-
gehörigen lebten in gemeinsamen Unterkünften, speisten
gemeinsam im Refektorium, verzichteten auf privates
­Eigentum und trugen eine einheitliche Tracht. Aus den
Quellen geht jedoch auch hervor, dass mit Billigung der
Diözesanbischöfe besonders die strikten Klausur- und
­Armutsbestimmungen der Augustinusregel gelockert werden
konnten.
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Wenn auch keine zeitgenössischen Berichte über
die Lebenssituation der Stiftsdamen existieren, so erfährt
man doch, dass ihnen 1292 persönliches Eigentum erlaubt
war.
Eine Urkunde von 1235 setzte fest, dass Marienberg höch-
stens 40 Konventualinnen aufnehmen sollte. Für die
Durchführung der gottesdienstlichen Handlungen waren
Stiftsgeistliche mit eigens für sie eingerichteter Pfründe
zuständig. Ihre Zahl sollte fünf nicht überschreiten, dürfte
aber sogar darunter gelegen haben. Auch vier Konverse
waren für die Stiftsgemeinschaft nach diesem Statut er-
laubt. In dieses Institut der Laienschwestern traten später
mehrfach alleinstehende Frauen ein, etwa die verwitweten
Margarethe Eilsleben (1473) oder Dorothea Schonowe (1519),
deren Tochter als Konventualin dem Stift angehörte.
­Häufiger aber begegnen in den Urkunden die Namen der
Laienbrüder, die ohne Weihen und mit verminderter
­Gebetspflicht im weiteren Bereich der Stiftsgemeinschaft
tätig waren und besonders für die körperlichen Arbeiten
als Klosterhandwerker oder in der Landwirtschaft eingesetzt
wurden. Mehrfach sind solche Laienbrüder auch in verant-
wortlichen Funktionen als Leiter von Höfen oder in Rechts­
geschäften für das Stift tätig gewesen.
Die zahlenmäßige Beschränkung der aufzunehmenden
Personen steht vermutlich im Zusammenhang mit be-
grenzten Unterbringungs- und Versorgungsmöglichkeiten,
vielleicht auch mit der spätestens 1242 erfolgten Um-
wandlung des östlich von Helmstedt gelegenen Hospitals
St. Marienborn in ein Augustiner-Chorfrauenstift und dessen
Besiedelung mit Marienberger Stiftsdamen
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. Jegliche
mögliche Konkurrenzsituation sollte so vermieden werden.
Zur Zeit der Reformation (1568/69) lebten außer der Priorin,
der Unterpriorin und der Schäfferin noch 22 Konventu-
alinnen im Stift.
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Die Stiftsdamen kamen im 13. Jahrhundert zunächst
­vermehrt aus dem Kreis adliger Herkunft, darunter die
­Familien von Meinersen, Grafen von Wernigerode, Grafen
von Lauterberg, von Warberg, von Ampleben, von Dalem.
Die Verschiebung dieses Schwergewichts zu bürgerlicher
Herkunft im 15. und 16. Jahrhundert entsprach der Ent-
wicklung der meisten Frauenkonvente.
Vom Konvent wurde die Priorin in freier Wahl bestimmt.
Bis zur 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts waren drei, eventuell
sogar vier Angehörige der Familie der Edelherren von
­Warberg in diesem Amt, weitere sieben stammten aus
­Familien des niederen Adels. Ab 1423 wechselten Ange-
hörige Braunschweiger oder Helmstedter Bürgerfamilien
mit Priorinnen ministerialischer Abkunft.
Die Wahl der Pröpste
Der Propst vertrat das Stift nach außen, er sorgte für die
geistliche Betreuung der Stiftsangehörigen und der Patro-
natskirchen durch Stiftsgeistliche, er verwaltete den Stifts-
besitz zusammen mit der Schäfferin. Bis zur Mitte des 12.
Jahrhunderts hatte die Bestimmung des Propstes nach dem
frühen germanischen Eigenkirchenrecht dem laikalen oder
geistlichen Klosterherren zugestanden. Die Umwandlung
der Rechtsverhältnisse zum Patronatsrecht seit der Mitte